Nachdem ich selbst nicht allzu viele Informationen zu Podgorica von anderen Bloggern gefunden hatte, möchte ich euch von meinem Kurztrip in die Hauptstadt Montenegros berichten. Die Hauptstadt wird auch als die „langweiligste Hauptstadt Europas“ bezeichnet. Dem kann ich nur teilweise zustimmen. An der Küste Montenegros ist sicherlich mehr los, jedoch gibt es in der etwa 150.000 Einwohner Stadt einige schöne Ecken und lustige Lokale sowie etwas Geschichte und viele Theater.
Hintergrund
Die Architektur der Stadt ist stark geprägt von der bewegten Vergangenheit. In den Stadtteilen Varoš und Drač sieht man noch den türkischen Einfluss während der Herrschaft der Osmanen. Die Osmanen errichteten zum Schutz gegen Montenegro eine große Festung, von der noch Ruinen übrig blieben. Auf dem Berliner Kongress 1878 wurde die Stadt Montenegro zugesprochen, deren Hauptstadt Cetinje blieb. Podgorica entwickelte sich zur größten Stadt Montenegros. Nach dem Wiederaufbau am Ende des Zweiten Weltkriegs kamen stärkere europäische Einflüsse in die Stadt. 1946 wurde sie zu Ehren von Tito in Titograd umbenannt und Hauptstadt der jugoslawischen Föderationsrepublik Montenegro. In der Zeit des sozialistischen Jugoslawiens entstanden einige große Wohnblöcke. 1992 erfolgte die Rückbenennung in Podgorica. Mittlerweile hat die moderne Architektur Fuß gefasst, die seit der Unabhängigkeit 2006 in einem Bauboom ausgelebt wird. Diese Mischung, aber insbesondere die alten Viertel, hatte es mir angetan.
Diese Mischung merkt man auch beim Essen. Hier ist ein Frühstück aus dem Hotel zu sehen, in dem auch traditionellere Speisen serviert wurden. In den Restaurants bekommt man ebenfalls alles von modern bis traditionell zu verhältnismäßig kleinem Preis.
Osmanisches Viertel in Stara Varoš
Mein erster Weg führte mich zur Festung Ribnica. Die Festungsanlage wurde Ende des 15. Jahrhunderts während der osmanischen Herrschaft erbaut und war eine von zwei Festungen, die den Stadtteil Stara Varos umgaben. Von der Festung aus hat man einen schönen Blick auf den Fluss Morača, jedoch muss man einige Stufen (Skaline) nehmen. Die Adži-paša’s Brücke (Alte Brücke), rechts vom Bild gelegen, überquert den Fluss Ribnitsa unweit seines Zusammenflusses mit der Moracei. Die Brücke wurde unter römischer Herrschaft erbaut, jedoch im 18. Jh. stark modifiziert und passt somit gut zu den zwei Festungshälften auf beiden Flussseiten.
Von der Festung Ribnica ging es weiter in den Stadtteil Stara Varoš. Dort stehen zwei Moscheen (Osmanagića und Starodoganjska) aus der osmanischen Zeit, dazu ein Uhrturm und ein paar alte Häuser. Der 19 m hohe Uhrturm wurde vom osmanischen Kommandanten Hacı Pascha Osmanagić erbaut. In unmittelbarer Umgebung liegt das Restaurant Pod Volat, was mir zwar wärmstens empfohlen wurde, wo es auch sehr gut roch, ich es aber irgendwie trotzdem nicht schaffte, hinzugehen (kein Hunger, gerade etwas gegessen usw.).
Badehaus und Bar
Bei meiner Recherche stieß ich auf die Itaka Library Bar. Eine Bar unter einer Brücke in einem früheren türkischen Badehaus? Will ich sehen! Auch wenn es mir leider etwas zu früh für Craft Beer war (es gibt auch Kaffee und andere Getränke), kann man dieses hier auch trinken. Die Bar ist zumindest bei den Einheimischen beliebt. Mit der Bar verbunden ist der Karver Bookstore und man sieht zudem einige Graffitis rings herum.
Trg Republike
Trg Republike ist der Hauptplatz der Stadt. In den umliegenden Straßen, wie Bokeška und Njegoševa, befinden sich viele Restaurants und kleinere Läden. Insbesondere abends ist hier einiges los. Ein Imbiss namens „Home of Gyros by Naky’s“ hatte es mir angetan. In der Innenstadt liegen noch zwei Museen, aber auf Grund der Wochentage kam ich nicht dazu, diese zu besichtigen.
Saborni Hram Hristovog Vaskrsenja
Ein weiterer Höhepunkt ist die Kathedrale der Auferstehung Christi (Saborni Hram Hristovog Vaskrsenja), die von 1993 bis 2013 gebaut wurde. Die 36 Meter hohe Kuppel dient praktischerweise zur Orientierung. Im Foto seht ihr eine Außenansicht mit bereits einigen kleineren Kunstwerken. Schaut aber unbedingt rein! Den Innenraum schmücken Fresken, Ikonen, Mosaiken, Steinplastiken und Holzschnitzereien, die das christlich-orthodoxe Erbe Montenegros bis zur Gegenwart widerspiegeln. So kann man auch Karl Marx, Friedrich Engels und Josip Broz Tito in der Hölle entdecken.
Sendeturm Toranj na Dajbabskoj Gori
Podgorica heißt übersetzt „am Fuß des Hügels“, was tatsächlich gut passt, da es mehrere Hügel in der Umgebung gibt. Auf einem (Dajbabska) davon steht der Sendeturm Toranj na Dajbabskoj Gori. Nachdem das Wetter an der Küste laut Wetterbericht eher mäßig ausgeschaut hatte, beschloss ich einen Ausflug zu dem Sendeturm auf einem Hügel. Der Turm selbst ist 55 Meter hoch, kann aber nicht besichtigt werden. Aber nachdem er auf einem Hügel gebaut ist, ist er trotzdem ein beliebtes Ausflugsziel mit gutem Blick. Ich konnte bis zum Skadarsee sehen, den ich schon beim Anflug bewunderte. Der Skadarsee ist der größte See des Balkans.
Auf dem Hinweg fiel mir bereits eine Bäckerei mit Burek auf. Auf dem Rückweg musste ich dort einen Stopp einlegen und mir mein Essen kaufen. Ich war laut Aussage die erste Ausländerin, die dort kaufte. Die Schlange an Einheimischen sagt, glaube ich, genug über die Qualität aus. Ich habe es jedenfalls nicht bereut. Genossen habe ich den ersten Teil des fluffigen Gebäcks im Park Ljubović, also erneut mit etwas Aussicht.
Doclea
Im Norden der heutigen Stadt liegt das antike Stadtzentrum von Doclea, auch Dioclea, Docleia oder Diocleia geschrieben. Doclea war eine antike Stadt der Illyrier, Römer und der Byzantiner im Gebiet des Docleatae Stammes. Doclea war die größte Siedlung der Docleatae und wurde unter Claudius eine Gemeinde, also zwischen 41 und 54 vor Christus. Die Stadt hatte etwa 8.000 bis 10.000 Einwohner. Käse war wohl ein bekanntes Produkt der Illyrer aus Doclea. Diocletian trennte diese Gegend von der Provinz Dalmatien bei seiner Verwaltungsreform im Jahr 293. Nachfolgend wurde ein römisches Militärlager errichtet, um die Straße von Dalmatien nach Shkodra zu kontrollieren. Im 4. und 5. Jahrhundert wurde Doclea von den Barbarenstämmen eingenommen und verfiel. Dies war jedoch noch nicht alles. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts wurde die Siedlung von den germanischen Westgoten angegriffen. Ein schweres Erdbeben zerstörte die Reste im Jahr 518. Südslawen wanderten in das Land ein und begannen im 7. Jahrhundert mit dem Wiederaufbau der Siedlung.
Als ich darauf stieß, wollte ich unbedingt hin. Google Maps meinte, ich müsse einen Umweg wegen, OpenStreetMap zeigte mir einen Fußweg auf der Eisenbahnbrücke. Im Hotel fragte ich danach, doch keiner wusste etwas. Also hieß es ausprobieren. Es gibt tatsächlich diesen Fußweg, auch wenn er vielleicht nicht deutschen Sicherheitsstandards entspricht. Nachdem die Frequenz von Zügen auf der Strecke gering ist, störte mich das nicht zu stark. Die meisten Ruinen sind eingezäunt, doch auch außerhalb findet man Steinhaufen. Eigentlich wäre am Eingang auch ein Wachhäuschen, was jedoch unbesetzt war, wodurch ich einfach durch Doclea gehen konnte. Doclea ist bei weitem nicht so touristenfreundlich wie z.B. Paestum. Es gibt vereinzelte Schilder, der Hauptweg ist gemäht und das war es auch. Andererseits fand ich das auch irgendwie faszinierend.
Gorica Park
Im Norden der Stadt, zwischen Doclea und dem Stadtzentrum, liegt der Gorica Park, den ich natürlich auch besuchte. Auf dem Foto findet man eine Aussicht auf die Stadt, die ich genoss. Als ich im Park war, grillten einige oder trieben Sport.
Ich machte einen Abstecher zum Partisan Fighter Monument (Spomenik Partizanu-borcu na Gorici). Das Monument erinnert an die Tito-Partisanen, die zwischen 1941 und 1944 einen Befreiungskampf gegen die italienischen und deutschen Besatzer führten. Nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht und ihrer Verbündeten auf Jugoslawien wurde das Land im Frühjahr 1941 zerschlagen und Montenegro von Italien besetzt. Kurz darauf formierte sich im ganzen damaligen Jugoslawien Widerstand gegen die Besatzer. Zur stärksten Widerstandsgruppe wurden die kommunistischen Partisanen unter Führung von Tito. In der ersten Offensive der Tito-Partisanen mussten sie sich nach Montenegro zurückziehen, von wo aus sie weiterhin Aktionen ausführten. Podgorica war während des Krieges starken Luftangriffen ausgesetzt, wodurch auch der Bestand an alten Häusern leider gering ist. Nach der Kapitulation Italiens im Herbst 1943 besetzten deutsche Truppen die Stadt, bevor sie 1944 von Partisanen befreit wurde. Bewegend, monumental, aber bedauerlicherweise könnte es Reparaturen gebrauchen.
Das andere Highlight war die Kirche St. Georg am Fuße des Hügels, auf dem der Park liegt. Die kleine orthodoxe Kirche stammt aus dem 12. Jahrhundert und hat im Inneren einige schöne Fresken.
Fazit
Auch wenn es die „langweiligste Hauptstadt Europas“ ist, kann man leicht zwei bis drei Tage dort verbringen, ohne sich zu langweilen. Vorausgesetzt, man interessiert sich für Geschichte, Natur oder kulinarische Genüsse. Ansonsten eignet sich die Hauptstadt Montenegros als Ausgangspunkt für eine Rundreise im Land. Der ursprünglich geplante Ausflug nach Bar fiel leider wegen des Wetters sprichwörtlich ins Wasser.