Vor kurzem wollte ich eines der langen Wochenenden nutzen, wie man schon auf Instagram mitbekam, und entschied mich schließlich für Vilnius? Wieso Vilnius? Das Baltikum reizt mich schon seit Jahren, zudem war Vilnius eines der günstigsten Ziele in der Zeit. Also warum nicht das ausnutzen?
Vilnius
Vilnius ist die Hauptstadt des baltischen Landes Litauen, bekannt auch unter den Namen Wilno (Polisch und Yiddisch) und Wilna (Deutsch), wobei beide Namen unbeliebt sind. Vilnius war die europäische Kulturhauptstadt 2009 zusammen mit Linz und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Die Stadt hat etwa 575.000 Einwohner und liegt am Fluss Neris. Man merkt schon am Anflug ein wenig die Vergangenheit. Ziemlich viele Plattenbauten sind zu sehen, aber auch kleine Häuschen mit Gärten drum herum. Das Bild setzt sich in der Stadt selbst fort.
Vilnius war schon immer eine multikulturelle Stadt mit einem hohen jüdischen Anteil, der sich dadurch begründet, dass Litauen als letztes Land in Europa christianisiert wurde. Juden, Polen, Russen zogen in die Städte, viele Juden kamen ursprünglich aus dem bayerisch-böhmischen Bereich (Glasbläser usw.), während die Litauer selbst auf dem Land lebten. Geändert hat sich das vor allem durch den 2. Weltkrieg… Das Multikulti merkt man aber immer noch.
Im Zuge der Teilungen von Polen-Litauen im 18. Jahrhundert durch Preußen, Österreich-Ungarn und Russland fiel die Stadt an Russland. Bei der Unabhängigkeit von Polen und Litauen als Ergebnis des Ersten Weltkrieges ging das Gebiet um Vilnius mitsamt der Stadt an Polen. Nach der Annexion Ostpolens und der baltischen Staaten durch die Sowjetunion zu Beginn des Zweiten Weltkrieges kam dieses Gebiet an Litauen und Vilnius wurde Hauptstadt der neu gegründeten Litauischen Sowjetrepublik. Mit Erlangen der staatlichen Souveränität 1990 ist Vilnius nun die Hauptstadt der Republik Litauen. Litauen feiert genauso wie Polen 100 Jahre Unabhängigkeit in diesem Jahr.
Nach Vilnius gelangt man entweder von den Nachbarländern per Bus oder Zug oder direkt per Flug. Der Flughafen wird entweder direkt oder indirekt (dann meist über Warschau) von einigen Linien, wie LOT oder Lufthansa, angeflogen. Vom Flughafen aus kommt man auf verschiedene Wege in die Stadt:
- Taxi: aktuell etwa 10-15 Euro
- Zug: 0,71 Euro, fährt aber eher selten und nur tagsüber
- Minibus: 1 Euro, fährt häufiger
- Bus: 1 Euro, tackern nicht vergessen, Linie 1 und 2 führen zum Busbahnhof, alle 20 min
Vom Busbahnhof kann man die meisten Hotels ergehen, da sie in der Altstadt liegen. Für einzelne wenige Hotels kann die Buslinie 3G sinnvoller sein, während die Linie 88 mehr oder weniger die Sightseeing-Linie ist für Leute mit wenig Zeit.
Oberleitungsbusse und Busse können diesselben Nummern haben, fahren aber unterschiedliche Strecken. G kennzeichnet die Schnellbuslinien.
Die junge Generation spricht sehr gutes Englisch, manche haben sogar Deutsch gelernt. Bei den Älteren schaut es tendentiell schlechter aus, aber die meisten sind sehr bemüht einem zu helfen. Hand und Fuß geht immer 😉 Eine kleine Anekdote von der Busfahrt vom Flughafen zum Busbahnhof. Vor mir standen zwei Holländerinnen, die genauso viel Ahnung wie ich hatten. Wir bekamen dann irgendwann unsere Tickets für je 1 Euro und setzen uns in den Bus. Irgendwann spricht mich die mittelalte Frau vor mir in verständlichem Englisch an. Ob ich denn das Ticket getackert hätte? Ich sah sie verständnislos an, die Fahrgäste rundherum nicken. Nun, jedes Ticket muss man abstempeln (ist eher ein Locher), ansonsten wäre es für die Fahrt nicht gültig. Sie stempelt meines ab, merkt dann, dass die anderen beiden dasselbe Problem haben. Sie schnappt sich die beiden Tickets, schimpft erst einmal den Busfahrer bis er so groß mit Hut ist und gibt uns dann die abgestempelten Tickets. Bei den nächsten Fahrgästen, die zustiegen, wies der Busfahrer brav die Neuen auf den roten Stempler hin.
Altstadt
Die Stadt habe ich am Tag der Ankunft erst einmal zu Fuß erkundigt. Es gibt zwar Hop-on-Hop-off-Busse, aber bei der kleinen Altstadt lohnt sich das nicht. Stattdessen kann man sich auch Fahrräder ausleihen. Klein ist relativ: es ist eine der größten Altstädte in Europa und die größte im Baltikum. Bequeme Schuhe sind übrigens Pflicht, da die meisten Straßen mit Steinen gepflastert sind.
Die Altstadt ist der Bereich mit den meisten Sehenswürdigkeiten: Universität, das ehemalige Judenviertel und spätere Getto (es gab genauer gesagt für kurze Zeit zwei Gettos), massig Kirchen, Kathedrale, Glockentürme, Literatenstraße, Burg (die aktuell gesperrt ist), Tor der Morgenröte, Seimas (Parlament), Präsidentenpalast, Gediminas-Denkmal und ein paar Museen. Direkt neben der Altstadt findet man den Hügel der drei Kreuze, von wo aus man einen tollen Ausblick auf die Stadt hat.
Das Amber Museum ist kein offizielles Museum, sondern ein Bernsteinladen mit einem kleinen informativen Teil im Keller, den man kostenlos besichtigen kann.
Die Altstadt habe ich sowohl selbst als auch in einer der vielen angebotenen kostenlosen Führungen mir angeschaut. Was mir bei meiner Führung besonders gut gefiel, waren die vielen besuchten Hinterhöfe.
Užupis
Neben der Altstadt findet man die kleinste Republik der Welt: Užupis. Die Halbinsel war ursprünglich heruntergekommen mit einer hohen Kriminalität. Nachdem eine Kunstakademie hier aufmachte, zieht Užupis Künstler, Studenten und ähnliche Leute an und hat sich seitdem stark gewandelt. Man merkt immer noch ein paar heruntergekommene Ecken, aber es ist sehr sicher, die Gegend hat nette Bars und Restaurants und ja, ist sehr künstlerisch. 1998 wurde dann die Republik Užupis gegründet (in Litauen dürfen sich Republiken innerhalb von einer Republik gründen). Natürlich gibt es auch eine Verfassung, die mich mehrmals zum Lachen gebracht hat. Hier ein Auszug:
A dog has the right to be a dog.
People have the right to be happy.
People have the right to be unhappy.
Der Nationalfeiertag ist natürlich der 1. April.
Jüdische Vergangenheit
Eine zweite Tour machte ich zur jüdischen Vergangenheit, Kostenpunkt 10 Euro, Dauer 2 -2 1/2 Stunden. Hier erfuhr ich noch einiges, sah, wo die Gettos genau verliefen, wo der Judenrat tagte, wo die Bibliothek und das Theater (das heute sogar noch betrieben wird) während des Gettos betrieben wurden. Passend dazu war ich vorher im Genozid/KGB-Museum und im Holocaust Museum. Beides definitiv sehenswert und gleichzeitig erschreckend! Das Holocaust Museum befindet sich aktuell noch in einem alten grünen Holzhaus und soll irgendwann in die ehemalige jüdische Bibliothek umziehen.
Essen und Trinken
Wer hier verhungert… Das Essen ist traditionell sehr einfach und nahrhaft. Es gibt Knödel, Fleisch, Bohnen, Erbsen usw. Seit der Unabhängigkeit hat sich aber auch viel gewandelt. Man findet gefühlt an jeder Ecke georgische Restaurants, Sushi gibt es genauso wie Pho, Pizza (Chili Piza!) oder Kebab.
Ein Highlight für mich war die Open Kitchen, die es wohl jeden Fr und Sa gibt: Foodtruckfestival mit zusätzlichen festen Hütten, massig Sitzgelegenheiten im Grünen und lokalem Bier. Nice!
Natürlich musste ich die Zeppeline (Cepelinai) probieren – riesige Kartoffelknödel, traditionell mit Fleisch gefüllt und Butter und Speckwürfel serviert. Die Variante mit Sauerrahm-Butter fand ich aber auch lecker. Mišrainė (Kartoffelsalat mit viel Erbsen und Mayo) gab es ebenfalls. Begeistert beim Frühstück hat mich die Schokibutter!
Lokales Bier wurde ebenfalls probiert. Sowohl dunkles Bier als auch Weizen von Švyturys fand ich schon einmal einen brauchbaren Start. Begeistert war ich von den Probiergläser bei der Gaststätte Aline Leiciai, die auch selbst braut. Das Seasonal Ale schmeckte mir besonders, aber auch Pale Ale und Weizen waren an dem Tag nach meinem Geschmack. Das Eis hatte übrigens noch ein Highlight: karamellisiertes Dark Ale als Sauce!
Der Markt in Vilnius soll eigentlich sehr schön und groß sein. Ich war eine Stunde vor Schließung dar und naja, es waren schon viele Stände abgebaut. Der Honig schmeckte genial und ich nahm ein kleines Stück mit. In diesem Fall ärgerte ich mich, dass ich nur mit Handgepäck unterwegs war, ansonsten wären 4 Kilo in den Koffer gewandert. Überrascht war ich an der Auswahl an austreibenden Kartoffeln und Steckzwiebeln (Zwiebel, Knobi, Scharlotten etc.). Man merkt, dass viele Leute noch Gemüse und Obst selbst anbauen.
Schade, dass die Zeit nicht reichte alles auszuprobieren. In Litauen befinden sich sehr viele Brauereien, an Essen könnte man auch mehr probieren, z.B. Schweineohren, Sauerampfersuppe, Pilzgerichte, frittierten Käse, die üblichen Brotstücke mit Knobi, Kartoffelpfannkuchen, Buchweizenpfannkuchen usw. Ach ja, und Met findet man auch häufig, nur die Zeit reichte nicht.
Die Preise sind günstiger als hierzulande. Teuerstes Essen mit Nachspeise, Bierauswahl usw. kostete 15 Euro, ansonsten könnte man mit 5-10 Euro auch locker satt werden.
Ausflüge
Von Vilnius aus kann man mit Auto, Bus oder Zug einiges angucken. Ich wollte ursprünglich nach Trakai, habe mich dann kurzfristig umentschieden. Trakai spielte im Mittelalter eine wichtige Rolle und war unter Großfürst Gediminas Anfang des 14. Jahrhunderts für sieben Jahre Hauptstadt des Großfürstentums, später wurde es von den Großfürsten häufig als zeitweilige Residenz genutzt. Sehenswert sind die Inselburg und die beeindruckende Seenlandschaft. Probieren sollte man unbedingt Kibine, Teigtaschen mit Füllung. Die Anreise ist am einfachsten mit Auto oder Bus, die Zughaltestelle ist weiter weg, aber selbst von dem einfachen Busbahnhof darf man noch etwas gehen.
Weitere Ausflugsziele sind der Mittelpunkt Europas, Europapark (Park mit Skultpuren) und Kernavė (zu heidnischen Zeiten die erste bekannte Hauptstadt des Großfürstentums).
Fazit
Nächstes Mal reise ich mit Koffer an, damit ich Honig mitnehmen kann. Der ist saulecker und günstig! Ansonsten möchte ich gerne mehr vom Land sehen. Die Leute fand ich sehr freundlich und hilfsbereit, das Essen lecker und das Bier süffig. Angenehm fand ich auch die niedrige Zahl an Touris, obwohl wohl die meisten Hotels in Vilnius an dem verlängerten Wochenende ausgebucht waren. Gerne wieder!